ANDERS HÖREN
Die Abramović-Methode für Musik

ausverkauft
20. – 24. März 2019
 

DREI TERMINE – EINE ERFAHRUNG

Wir laden Sie ein, an zwei Terminen gemeinschaftlich die Abramović-Methode zu erleben: In verschiedenen Übungen lernen Sie dabei, die Sinne zu schärfen und sich selbst in einen Zustand der Konzentration zu begeben.

Lassen Sie das Erlebte sich setzen – um dann aus der gewonnenen Erfahrung heraus einen Konzertabend der besonderen Art zu erleben, der die Regeln und Normen des klassischen Konzertbetriebs außer Kraft setzt.

Die Teilnahme an der Abramović-Methode und der Konzertbesuch bilden eine untrennbare Einheit.

Präsent sein. Eine zentrale Überzeugung im Schaffen wie auch im Leben Marina Abramovićs. Das Gegenwärtige mit allen Sinnen bewusst wahrzunehmen, ja auch auszuhalten, ist Prinzip zahlreicher bedeutender Arbeiten der Performance-Künstlerin, und das längst, bevor der Begriff der „Achtsamkeit“ zum Modewort wurde. Marina Abramovićs Kunst ist kompromisslos, schonungslos, unbequem. Immer wieder hat sich die Künstlerin in Extremsituationen begeben und dabei weder Gefahr noch Schmerz gescheut: ein Sich-Einlassen auf Grenzerfahrungen mit Geist, Haut und Haar. Mindestens ebenso radikal aber wie in ihren Arbeiten mit Messer, Feuer und Blut ist Marina Abramović, wenn sie sich mit vermeintlich einfachen Tätigkeiten des täglichen Lebens befasst und auch dabei Grenzen auslotet – in Performances, die Stunden, Tage, Wochen dauern können. Nicht zuletzt aus Arbeiten wie diesen – man denke an ihre wohl berühmteste Performance „The Artist is present“ im New Yorker MoMA, bei der sie 736 Stunden lang auf einem Stuhl verharrte und ihrem Gegenüber in die Augen blickte – entwickelte Marina Abramović schließlich ihre eigene „Methode“: eine Bündelung verschiedener Übungen, bei denen sich auch das Publikum in jenen Zustand der Einkehr und Konzentration versetzen lassen kann, der eine fokussierte Wahrnehmung ermöglicht.

Präsent sein – ein Schlüssel auch für die Rezeption von Musik. „Um wirklich Musik zu hören“, sagt Marina Abramović, „muss man mit allen seinen Sinnen dabei sein. Aber unser Leben ist schwierig und hektisch, und wenn wir in ein Konzert gehen, nehmen wir all diese Last mit. Deswegen dachte ich mir, dass es wichtig ist, eine Methode zu entwickeln, mit der man sich auf das Hören vorbereitet.“ Genau um solche neuen Wege zum Hören zu eröffnen, hat Marina Abramović gemeinsam mit ihrer künstlerischen Mitarbeiterin Lynsey Peisinger auf Einladung der Alten Oper Frankfurt ein Musikprojekt entwickelt, in welchem die Regeln des klassischen Konzertbetriebs außer Kraft gesetzt werden und stattdessen durch die Kombination von Übungen der Abramović-Methode und einem Konzert der besonderen Art eine intensive gemeinschaftliche Hörerfahrung möglich gemacht werden soll. Marina Abramović verrät dabei nur soviel: „Es wird alles sehr anders sein, und wir hoffen, dass all das ein Erlebnis ausmachen wird, das ‚out of the box‘ sein wird, etwas anderes als die normale Erfahrung im Konzertsaal.“

Fotos: Marina Abramović © Dusan Reljin, 2018; Marina Abramović, 512 Hours, Performance, Duration: 512 hours, The Serpentine Gallery, London 2014, Photography © Marco Anelli, Courtesy of the Marina Abramović Archives and Serpentine Gallery, London; Sitar © Alte Oper Frankfurt, Tibor Pluto; alle anderen Motive © Alte Oper Frankfurt, Norbert Miguletz

Methode und Konzert

Für Marina Abramović verbindet sich mit den Übungen ihrer Methode die Möglichkeit, Momente der Stille, der Einkehr und Konzentration zu schaffen, einen energetischen Ort zu kreieren, an dem die Sinne geschärft werden und der Geist fokussiert, an dem man zu sich selbst finden, aber auch Kontakt zu anderen aufnehmen kann. Ziel aller Übungen der Methode ist es, die volle Konzentration auf den Moment zu ermöglichen und dabei die Wirkung vermeintlich einfacher Tätigkeiten zu erfahren, die sich mit zunehmender Dauer der Durchführung einstellt. Genau diese intensivierte Wahrnehmung möchten wir Ihnen ermöglichen: Verbringen Sie gemeinschaftlich Zeit mit der Abramović-Methode und ihren Übungen – nicht nur zur Vorbereitung auf das Konzert, sondern auch mit dem Ziel einer tiefgreifenden Erfahrung um ihrer selbst willen. Auf welche der angebotenen Übungen Sie sich in dieser Zeit mit welcher Intensität und Dauer einlassen, bleibt Ihnen dabei ganz freigestellt.

„In der klassischen Musik gibt es spezielle Rituale, eingeübte Protokolle und Gepflogenheiten, wie die Menschen Konzerte erleben“, so empfindet es Marina Abramović. Ihr Anliegen: „das Erlebnis freizumachen von Regeln und Normen und den Menschen zu ermöglichen, ein klassisches Konzert auf eine ganz andere Weise zu hören“. Deshalb werden im Konzert zum Abschluss des Projekts die Rituale des Konzertbetriebs auf den Kopf gestellt – etwa indem sowohl die Musiker*innen als auch das Publikum die Positionen im Saal verändern oder indem die standardisierte Gliederung in zwei Konzerthälften aufgehoben wird und der Abend auf fünf Stunden angelegt ist. Ankerpunkte des herkömmlichen Konzertbetriebs wie das Vorwissen um Komponisten oder Werke sind dabei unerheblich. Stattdessen geben die Künstler*innen einen Einblick in die Diversität ihrer eigenen Musikkulturen und führen das Publikum durch verschiedenste Epochen, Genres, musikalische Regionen.


Mitwirkende Musiker*innen
FAZIL SAY Klavier
CAROLIN WIDMANN Violine
NICOLAS ALTSTAEDT Violoncello
ARIS QUARTETT Streichquartett
HINDOL DEB Sitar
SEAN SHIBE Gitarre
LINGLING YU Pipa
MARTIN LÜCKER Orgel
EVA ZÖLLNER Akkordeon
UND WEITERE INSTRUMENTALIST*INNEN
(Klarinette, Duduk, u. a.)


FAQ: Fragen rund um „Anders hören“

An wen richtet sich das Projekt?
Die Teilnahme steht allen interessierten Menschen ab 16 Jahren offen und ist an keinerlei Bedingungen oder Vorkenntnisse geknüpft. Bitte haben Sie als Eltern Verständnis dafür, dass Ihre Babys oder Kleinkinder nicht mitgebracht werden können.
Auch Menschen mit einer Behinderung laden wir ausdrücklich zur Teilnahme ein – der Große Saal und der Zugang dorthin sind barrierefrei, vor Ort stehen Ihnen unsere Vermittler*innen bei Fragen und Problemen jederzeit zur Verfügung. Je nach Art Ihrer Beeinträchtigung sind allerdings eventuell nicht alle Übungen für Sie geeignet.
Fremdsprachenkenntnisse sind nicht erforderlich.

Wie läuft das Projekt ab?
Wer mitmachen möchte, entscheidet sich beim Ticketkauf für zwei der vorgegebenen je dreieinhalbstündigen Zeiträume (siehe Übersichtsplan), die wir innerhalb von vier Tagen anbieten. An diesen Terminen erleben Sie gemeinsam mit den anderen Teilnehmer*innen aktiv die Übungen der Abramović-Methode. Die Teilnahme an der Abramović-Methode und der Besuch des Konzerts, das den Abschluss des Projekts bildet, gehören untrennbar zusammen.

Was darf ich mir unter der Abramović-Methode vorstellen?
Die Übungen der Methode hat Marina Abramović entwickelt, um die Teilnehmer*innen in einen Zustand der Fokussierung zu versetzen. Es sind einfache Tätigkeiten, die alle Menschen ausführen können: Zählen von Reiskörnern, konstantes Blicken in die Augen eines Fremden, dem man gegenübersitzt, Schauen auf eine Farbfläche, Gehen in Zeitlupe, Bewegung im Raum mit verbundenen Augen oder Stehen auf einer Plattform. Diese Übungen werden an allen Terminen parallel angeboten.

Bin ich in der Abramović-Methode allein auf mich gestellt?
Im Saal werden durch das Team Marina Abramovićs geschulte Vermittler*innen unterwegs sein, die Sie gerne bei der Abramovic-Methode begleiten. Grundsätzlich gilt: Sie sind vollkommen frei in Ihren Entscheidungen, welche Übungen der Abramović-Methode Sie wählen und wieviel Zeit Sie mit ihnen verbringen – oder ob Sie sich zwischenzeitlich auf eine Beobachterposition zurückziehen möchten.

Wie kann ich mich am besten auf die Abramović-Methode einstellen?
Wir empfehlen bequeme Kleidung und flache Schuhe. Vor und während der Abramović-Methode sollte kein Alkohol konsumiert werden. Darüber hinaus sind weder bestimmte Vorerfahrungen noch eine besondere körperliche Fitness erforderlich, alle können mitmachen. Bringen Sie einfach Neugierde und Offenheit mit!

Darf ich mein Handy mit in den Großen Saal nehmen?
In Ihrem eigenen Interesse: nein! Das Team an der Garderobe befreit Sie gerne von allem, was ablenkt: Uhren und Mobiltelefone müssen für die Dauer der Abramović-Methode und des Konzerts abgegeben werden. Am besten lassen Sie Wertgegenstände und elektronische Geräte gleich zuhause.

Muss ich pünktlich erscheinen?
Zum Konzert ja, bei der Abramović-Methode ist es auch möglich, dass Sie später hinzukommen. Im Sinne einer tiefgehenden Erfahrung empfehlen wir Ihnen jedoch, die gesamte Übungszeit für sich zu nutzen.

Darf ich während der Abramović-Methode oder des Konzerts den Saal verlassen?
Jederzeit, sowohl während der Abramović-Methode als auch während des Konzerts. Das Konzert wird in sämtliche öffentliche Räume der Alten Oper übertragen, so dass es auch außerhalb des Großen Saals mitverfolgt werden kann.

Kann ich auch eine Karte nur für das Konzert erwerben?
Nein, die Abramović-Methode und das Konzert bilden gemeinsam eine Einheit. Die Übungen der Abramović-Methode dienen nicht zuletzt der Vorbereitung auf das Konzert.

Gibt es ein gastronomisches Angebot?
In den Foyers stehen während der Abramović-Methode und des Konzerts Wasser und kleine Snacks zur Verfügung. Die Restaurants Opéra und Rosso der Alten Oper sind am Konzerttag geschlossen.

Wird Marina Abramović auch selbst vor Ort sein?
Marina Abramović wird während des Projekts „Anders hören" in der Alten Oper anwesend sein, und zwar sowohl bei ausgewählten Momenten an den Tagen der Abramović-Methode als auch während des Konzerts, wo sie eingangs gemeinsam mit dem Publikum Übungen aus ihrer Methode praktizieren wird.

Ein Hinweis noch:
Einige Workshops werden filmisch und fotografisch dokumentiert. Das Bildmaterial soll später in verschiedenen Medien wie insbesondere einem Buch, dem Internet, auf Social Media und in der Pressearbeit verwendet werden. Mit der Wahl dieser Workshops erklären Sie sich mit der Veröffentlichung der gefertigten Foto- und Filmaufnahmen einverstanden. Die Rechteeinräumung an der Personenabbildung erfolgt ohne Vergütung. Der Workshop wird durch die Foto- und Filmaufnahmen nicht beeinträchtigt werden.


Marina Abramović und Lynsey Peisinger im Gespräch


Biografie Marina Abramović und Lynsey Peisinger

Marina Abramović © Dusan Reljin, Lynsey Peisinger © Axel Lambrette

Biografie Marina Abramović

Seit Beginn ihrer Karriere in den frühen 1970er-Jahren in Belgrad gilt Marina Abramović als Vorreiterin der Performance-Kunst. Einige der bedeutendsten Werke dieser Kunstform stammen bereits aus dieser frühen Zeit. Immer ist ihr Körper dabei sowohl Gegenstand als auch Medium. In ihren Werken, die meist einfache Alltagsaktionen ritualisieren, geht sie physisch und mental an Grenzen, erträgt Schmerzen, Erschöpfung und Gefahr – stets auf der Suche nach emotionaler und spiritueller Transformation. Zwischen 1972 und 1988 realisierte sie mit dem deutschen Künstler Ulay Performances, die sich mit den Beziehungen der Dualität auseinandersetzen. Seit 1989 tritt sie wieder mit Solo-Werken hervor. Ihre Performances zeigte sie in den führenden Kulturinstitutionen Amerikas und Europas, darunter das Van Abbemuseum in Eindhoven (1985), das Centre Georges Pompidou in Paris (1990), die Neue Nationalgalerie in Berlin (1993) und das Museum of Modern Art in Oxford (1995). Darüber hinaus nahm sie mit ihren Arbeiten teil an umfangreichen internationalen Ausstellungen wie der Biennale di Venezia (1976 und 1997) und der Kasseler Documenta der Jahre 1977, 1982 und 1992.

Zu den Performances der vergangenen Jahre zählen „The House With The Ocean View“ in der Sean Kelly Gallery in New York (2002) und „7 Easy Pieces“ im Guggenheim Museum, ebenfalls in New York (2005). Während ihrer ersten großen Retrospektive in Amerika 2010 war sie im New Yorker Museum of Modern Art in über 700 Stunden mit ihrer Performance „The Artist is Present“ zu Gast. In der Serpentine Gallery in London nutzte Abramović 2014 sich selbst sowie das Publikum als Medium während ihrer Performance „512 Hours“, benannt nach der Gesamtdauer des Werks.

1997 erhielt Abramović für die Videoinstallation und Performance „Balkan Baroque“ den Goldenen Löwen als beste Künstlerin der 47. Biennale di Venezia. Für ihre Verdienste um die zeitgenössische Kunst wurde ihr 2008 das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst verliehen. Seit 2013 ist sie Officier des französischen Ordre des Arts et des Lettres. Darüber hinaus haben ihr zahlreiche Institutionen weltweit die Ehrendoktorwürde verliehen.

Als Plattform für immaterielle und Langzeit-Performances sowie zur Kreation neuer Möglichkeiten interdisziplinären Denkens gründete Abramović das Marina Abramović Institute (MAI). Entsprechend seiner umfassenden Bestimmung präsentierte sich das Institut erstmals 2016 in Zusammenarbeit mit der griechischen Kunstplattform NEON und dem Projekt „As One“ am Benaki Museum Athen.

2016 veröffentlichte Abramović „Walk Through Walls: A Memoir“ („Durch Mauern gehen: Autobiografie“). Ihre Retrospektive „The Cleaner“ war 2017 im Moderna Museet in Stockholm und im Louisiana Museum of Modern Art im dänischen Humlebæk sowie im Frühjahr 2018 im Henie Onstad Kunstsenter in Oslo zu erleben und wird weiterhin Station machen in Bonn und Florenz.

 

Biografie Lynsey Peisinger

Lynsey Peisinger ist Performance-Künstlerin, Choreografin und Regisseurin. 2017 arbeitete sie mit Marina Abramović an „The Cleaner“, einer kollektiven Performance mit 35 Vokalensembles in der Eric Ericssonhallen in Stockholm als Teil der ersten großen Abramović-Retrospektive in Europa, präsentiert vom Moderna Museet in Stockholm. 2014 wirkte sie mit an Marina Abramovićs Aktion „512 Hours“ in der Londoner Serpentine Gallery. Für mehr als 15 Projekte hat sie für Abramović Performer ausgewählt und trainiert. Die Abramović-Methode ist in Zusammenarbeit mit Peisinger entstanden, Entwicklung und Aufbau jeder einzelnen Iteration gehen auf sie zurück.

Zu Peisingers aktuellen Theaterarbeiten zählt „Midnight“, das sie gemeinsam mit Tilman Hecker 2016 im Berliner Radialsystem V uraufführte. Ebenfalls mit Hecker erarbeitet sie derzeit die Performance „Rochambeau“. In der Vergangenheit war Peisinger Regieassistentin etwa von Robert Wilson in dessen Bühnenproduktionen „Zinnias: The Life of Clementine Hunter" und „The Old Woman“.

Ihre Werke präsentierte sie unter anderem an der Fondation Beyeler in Basel, im Kulturzentrum Paço das Artes in Sao Paulo, bei Robert Wilson’s 2nd Annual Berlin Benefit, beim Hyeres Fashion and Photography Festival, beim Kunstfest Weimar, der SESC Pompeia, im Berliner Radialsystem V, am St. Petersburger Alexandrinski-Theater sowie im Moderna Museet Stockholm. Ihr Studium mit Abschluss Master of Fine Arts im Fach „Choreografie“ absolvierte Peisinger am Conservatory of Dance des New Yorker Purchase College.


Unser herzlicher Dank gilt unseren Förderern, die mit ihrer Unterstützung die Realisierung von „Anders hören“ möglich gemacht haben.

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